«Ich bin froh, wenn es während der Arbeit sachlich bleibt. Wird es emotional, bin ich immer etwas überfordert.»

Während Begeisterung für den Aufgabenbereich, Commitment zum Team und dem Unternehmen sowie Freude über Erfolg gewünscht resp. eingefordert werden, bleiben Verärgerung, Wut ebenso wie Trauer, Überforderung und Hilflosigkeit im Berufskontext ungeliebte Gäste. Wie Laloux in seinem Buch Reinventing Organisations aber gut beschreibt: Möchte man Mitarbeiter:innen, die sich mit Kopf, Herz und Bauch fürs Unternehmen investieren, kann die dunklere Seite der Emotionen nicht weggeschnitten oder unterdrückt werden. Es braucht alles und Studien belegen, dass gerade Unternehmen mit einer gesunden Konfliktkultur innovativer und dadurch profitabler sind.

Wenn ich selbst emotional werde...

Es staut sich innerlich etwas an, man hat keine Lust zum Hinschauen, was den Druck weiter erhöht, und dann bringt etwas das Fass zum Überlaufen. Die resultierende Freisetzung verdrängter Emotionen, im Fachjargon Katharsis genannt, zeigt sich meist in Form von Tränen, ab und zu in Wut, selten in einem Verstummen und resultiert immer in einer momentanen Überforderung. Die weggedrückten Emotionen übernehmen die Führung und oft schämt man sich danach, sich so handlungsunfähig und damit scheinbar unprofessionell gezeigt zu haben, während faktisch ein zentraler Schritt von Reinigung stattfindet und wir uns als Mensch zeigen.

Hat man nicht das Glück, emotionsgeschulte Menschen um sich zu haben, braucht es den eigenen Notfallplan: Es geht darum, sich jenen Moment zu verschaffen, um wieder handlungsfähig zu werden. Ein Aufstehen, einen Schluck Wasser trinken, an die frische Luft gehen oder auch einfach Durchatmen, sind mögliche Optionen, damit man nicht in den Emotionen steckenbleibt. Anschliessend geht es darum, den Grund für die Emotionen mit den anderen zu teilen sowie das damit verbundene Bedürfnis offen zu legen. Zu wenig Unterstützung aus dem Team mit resultierender Frustration und nachfolgender Entladung wird übersetzt in den Wunsch nach einer anderen Aufgabenverteilung sowie einer gemeinsamen Diskussion rund um den Umgang mit Überlastung.

Auch wenn durch ein solches Vorgehen Emotionen zu einer Chance werden, wünscht man sich selbst einen etwas geplanteren Umgang damit. Aus diesem Grund wird die Praxis eines Check-ins mit sich selbst empfohlen: In regelmässigen Abständen fragt man sich selbst, wie man sich fühlt und wie es einem geht. Benennt man die Emotionen laut, wird das Ganze noch wirkungsvoller. Noch tiefer wird es, wenn man die Emotionen im Körper verortet, die körperliche Empfindung beschreibt, die damit verbundenen Emotionen im Detail exploriert, um danach, ruhig weiteratmend, diese wahrzunehmen bis sie sich auflösen. Im Anschluss sucht man nach der Emotion hinter der Emotion, z.B. die Enttäuschung hinter der Wut, beschreibt und fühlt diese erneut und macht weiter, bis ein Zustand von Neutralität resultiert. Hat man dies selbst mal ausprobiert, wird der Prozess so einfach wie das tägliche Zähneputzen und die Vorfreude auf die anschliessende innere Ruhe zur Motivation, sich dafür Zeit zu nehmen.

Wenn andere emotional werden...

Erlebt man einen emotionalen Moment bei anderen, ist man meist etwas überfordert oder auch einfach peinlich berührt im Wissen, wie man sich selbst dabei fühlen würde. Entsprechend will man möglichst schnell aus der Situation rauszukommen, weshalb direkt Ratschläge angeboten werden, kommentiert wird, dass es schon nicht so schlimm sein kann, oder man drüber hinwegzusehen versucht. Als Konsequenz fühlt man selbst sich allein gelassen, weshalb nachfolgende Reaktion hilfreicher ist.

Als erster Schritt gilt es, sich selbst wie auch die emotionsbetroffene Person wieder handlungsfähig zu machen. Falls man dazu die eigene Überforderung anspricht, ist das ok, weil anschliessend der Fokus beim Gegenüber sein kann mit einem Normalisieren der Situation sowie einem Beschreiben der sichtbaren Emotionen. Formulierungen wie ‘ich sehe, wie dich das bewegt, was ich nachvollziehen kann’ oder ‘dass dich das traurig macht, ist komplett normal und zeigt, wie wichtig dir das Thema ist’ sind dabei hilfreich, weil sie die Emotionsverantwortung beim Gegenüber lassen, während gleichzeitig Verständnis gezeigt wird. Ein ‘Retten’ des Gegenübers mit Sätzen wie ‘das ist ja soooooo schlimm, da müssen wir dir sofort helfen’ oder ‘das ist unfair und darf nicht sein, ich werde das für dich lösen’ ist zwar gut gemeint, belässt das Gegenüber aber in der Hilflosigkeit und damit auch in der Emotionalität.

Nach einem solchen ersten Stabilisieren brauchen meist alle eine Pause zum Einsortieren und Durchatmen. Danach folgt eine Nachbereitung; Fragen wie ‘Was brauchst du an Unterstützung?’ oder ‘Was könnte dir jetzt helfen?’ sind ebenso passend wie ‘Was hat zu dieser Situation geführt?’ oder ‘Magst du uns erzählen, was bei dir grad passierte?’. Wichtig dabei ist, dass der Fokus mehr auf der Sache liegt, um ein erneutes Versinken in den Emotionen zu verhindern, und eine lösungs- sowie zukunftsorientierte Haltung eingenommen wird.

Nicht immer gelingt das umgehende Loslassen der Emotionen, weshalb ein solches Follow-up auch für später eingeplant werden kann so wie es manchmal auch Unterstützung beim Entwickeln von Lösungswegen braucht. Verkauft man eigene Empfehlungen und Ratschläge als die Ideen Dritter, können diese vom Gegenüber hemmungsloser weiterentwickelt oder zu Gunsten eigener Ideen abgelehnt werden. Meist schliesst man die Nachbereitung ab, indem alle teilen, wie sie sich fühlen und was sie für sich aus der Sequenz mitnehmen, um zu verdeutlichen, dass die gezeigten Emotionen eine Chance für alle sind, sich zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Du und dein Team möchtet euch dem Emotionsthema annähern? Dann habe ich ein paar leicht umsetzbare Ideen!

Check-in mit einem Wheel of Emotions, Mood Meter oder Emojis

Angeordnet als Rad, als simple Übersicht oder in Form von Emojis: Während eines Check-ins wählt man sich jenen Emotionszustand, der einen am besten beschreibt und erklärt die Gründe sowie die damit verbundenen Bedürfnisse dieser Wahl. Alternativ wählt man sich zufällig einen Emotionszustand, um nachzudenken, wann man sich zuletzt so gefühlt hat und wie das war. Damit wird nicht nur das Emotionsvokabular vielfältiger, man nimmt die eigenen Emotionen zunehmend differenzierter wahr und weiss, wie es den anderen wirklich geht.

Gegenseitiges Gefühlraten

Ob mit oder ohne Emotionsgrimasse: Man versucht zu erraten, wie das Gegenüber sich fühlt. Dabei kann man bewusst eine Emotion auswählen und diese zur Schau stellen oder man ist ganz einfach sich selbst und hört den Beobachtungen der anderen zu.

Reflexion des Umgangs mit Emotionen im Team

Als Teil einer Teamentwicklung oder während eines Teammeetings reflektiert ihr gemeinsam den Umgang mit Emotionen. Als Eisbrecherfrage kann z.B. abgefragt werden, wie einfach es auf einer Skala von 1 bis 10 ist, Emotionen im Team zu zeigen. Danach helfen Fragen wie ‘Wie geht es uns, wenn es emotional wird?’, ‘Wie viele Emotionen sollen es sein?’ oder auch ‘Was brauchen wir, um uns in einem Team wirklich wohl zu fühlen?’. Der daraus resultierende Austausch zeigt, wo es allenfalls ein Follow-up braucht zum Thema selbst oder zu psychologischer Sicherheit.

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«Wir wollen eine Feedbackkultur in unserem Team aufbauen!»